Uwe Bartholomäus †

14.9.1972 – 30.6.2020

Ein ganzes Leben

Mein bester Freund ist nach 30 Jahren, die wir uns kennen, im Krankenhaus verstorben. Ich war noch kurz davor bei ihm. Wir kennen uns drei Jahrzehnte, für mich ein ganzes Leben. Wir haben viel erlebt und auch durchgemacht. Und es war eine ganz wunderbare Erfahrung und Ergänzung, die es so sehr selten gibt. Also ist es sehr intensiv und bedeutend. Umso schwieriger ist für mich der Umgang damit. Lange habe ich überhaupt nicht gewusst, wie ich damit umgehen kann (und soll). Es war eine stillstehende Zeit. Vollgestopft mit zu erledigenden Dingen, Behörden, Papierkram. Und eine Zeit lang auch absichtlich vollgestopft mit Beschäftigung. Das ist sicherlich normal, eine Ablenkung zu suchen, weil das Thema so groß und gewaltig ist, dass kein sinnhafter Umgang möglich scheint. Kommt Zeit, kommt Rat.

Erinnerungen

Was bleibt, sind Erinnerungen und Ereignisse. Die ermöglichen einen schönen Rückblick und Halt. Du warst ein heller Kopf und schwer gebildet. Das gibst Du mir all die Jahre weiter. Ich habe den Begriff »wandelndes Lexikon« nicht ohne Grund herangezogen. Es gibt kaum eine Frage oder Idee, zu der Du nicht etwas sagen kannst. Bücherfresser, Studiosus, Philosoph, Visionär bist Du. Voller guter und verrückter Gedanken und Ideen. Ein unerschöpflicher Pool, so scheint es mir.

Hamburch, meine Perle

Wir kamen zum Studium in die Hansestadt. Allein die Suche nach einer Wohnung war ein Abenteuer. Im Bulli gepennt, dann die Zeitung gekauft, umhergefahren und endlich was gefunden. Nun aber auf schick gemacht, und so standen wir halbwegs zivilisiert vor dem dicken BigBoss. Dem gefiel Deine forsche Art und uns die Wohnung. Also großer Umzug. Und dann ab an die Uni. Das war noch Lotterwirtschaft dort, wie da alle herumliefen! Das ging uns gegen den Strich. Also volles Programm: Wir waren die einzigen Studenten, die immer im Anzug und mit Krawatte aufliefen. Deine Idee, grandios. Und mit eben solcher Wirkung. Es kann nicht schaden, ein bisschen verrückt zu sein.

Wasser, Boote und so

Wo, wenn nicht am Ufer der Alster und Elbe, lässt es sich besser leben, wenn einem die Fortbewegung auf Flüssigkeit sehr gefällt. Wir haben beide eine Bootsmeise und sind schon als Kinder (als wir uns noch nicht kannten) auf allem, was schwamm, umhergefahren. Alle unsere Urlaube, die wir gemeinsam hatten, fanden schwimmenderweise statt. Zelt, Schlafsack, Kocher ins Faltboot gestopft und losging die Fahrt. Du hast oft die Touren ausgetüftelt. So paddelten wir durch Meck-Pomm, die Elbe, den Rhein, die Mosel und noch viele Gewässer mehr. In Deutschland gibt es so schöne Ecken. Und wir haben viele davon gesehen. Ganz der Käptn und standesgemäß hast Du eine Kapitänsmütze getragen (mit Patent natürlich, was auch sonst…). Für Dich war ich immer die »Nummer 1«, wie in der Enterprise bei Picard und Riker. Wir lieben die Serie sehr und sie hat uns all die Jahre begleitet. Es war mir übrigens eine große Ehre, dass Du in mir Deinen ersten Offizier gesehen hast. Freundschaft hat viele Facetten.

Der Zahn der Zeit

Leider hat über die Jahre die Gesundheit bei Dir stark gelitten. Jetzt war es an mir, für Dich da zu sein. Einer trage des anderen Last. Der Spruch aus der Bibel und der gleichnamige Film, den wir so gern gesehen haben. Und auch das ist Freundschaft. Lange und ohne zu klagen (und das bewundere ich bis heute an Dir) bist Du durch das Tal gegangen. Hilfe ist Tat, nicht das Wort. Von Handreichungen bis zum teuren Alu-Faltrollstuhl, von Beschaffung notwendiger Dinge bis zur Pflege – es gab kein Zögern. Das war und bin ich Dir schuldig. So konnte ich Dir von dem etwas zurückgeben, was Du in mich investiert hast. Nur wer eine solche Zeit mitmacht, kann die Frustration der professionellen Pflegenden ob der Handlungsohnmacht der Politik wirklich verstehen. Ausdauernde Anstrengung zu jeder Tageszeit. Einer trage des anderen Last.

Doch alles hat ein Ende, so auch bei Dir. Eine gute letzte Reise, mein Freund.

Tom Köhler